Wirksame virtuelle Coachingprozesse gestalten

Erfahrungsbericht

Christine Fuchs-Jonsson

Virtuelles Coaching

Um erfolgreich virtuelle Coachings durchzuführen, sind weiterhin die klassischen Coachingskills erforderlich. Doch darauf aufbauend, existieren einige Faktoren, die für virtuelle Settings wichtig sind. Die Power des Prozesses nutzen, Kontakt durch Präsenz herstellen, sowie gezielt Empathie digital aufbauen. Als Basis ist eine Technologiekompetenz von Coach und Coachee essentiell. 

Die Power des Prozesses

Coaching bezog einen Teil seiner Kraft immer schon aus dem Einzelsetting. Coach und Coachee bauen eine vertrauensvolle Beziehung auf, die Zusammenarbeit ist inhaltlich und prozessual hoch individualisiert. Das gilt auch für virtuelle Coachings. Damit diese wirksam werden, ist in der Regel eine häufigere Interaktion notwendig. Wir denken also weiterhin in einem Coachingprozess, jedoch noch kleinteiliger. Als besonders effektiv hat sich eine gute Kombination aus Coachinggesprächen in Videokonferenzen mit individuellen Reflektionsmethoden erwiesen. So arbeiten wie zum Beispiel mit Tagebüchern, die ein Coachingklient führt, Reflexionsbögen oder Testinstrumenten. In virtuellen Settings können wir leichter und schneller interagieren. Wir bleiben dran, was vor allem für beratungsnahe und lösungsorientierte Coachings hilfreich ist. Coaches können die Interventionen im Prozess leichter variieren: wann ist ein längeres und vertieftes Gespräch erforderlich, wann reicht ein kurzer Check-In, wie können Coachingklienten zwischen den Gesprächen weiterarbeiten.

Erfolgsfaktoren für virtuelles Coaching

Power des Prozesses

Kontakt durch Präsenz

Empathie Digital

Technologiekompetenz für Coaches

Kontakt durch Präsenz

Kontakt ist eine echte Herausforderung im Coaching. Alles ist auf audiovisuelle Wahr-nehmung beschränkt – Körperwahrnehmung findet nicht statt. Wir spüren uns nicht. Erschwerend kommen drei Aspekte hinzu: Workload, Beschleunigung und sinkende Aufmerksamkeit. Die meisten Menschen arbeiten mehr und schneller, Pausen sind rar und sie stolpern aus einem virtuellen Meeting raus und rein ins virtuelle Coaching. Auch im Meeting selbst sind sie schneller abgelenkt: E-Mails laufen auf, Familienmitglieder kommen ins Arbeitszimmer, im Chat blinkt ständig eine neue Nachricht. Viele Coachingklienten sind virtuell stärker auf Spannung und weniger im Kontakt. 

Um Kontakt in virtuellen Coachings zu gestalten, ist es zunächst wichtig, als Coach nicht in die gleichen Fallen zu tappen, sondern selbst präsent zu sein. Welche Rituale habe ich als Coach, um mich auf die Situation und meinen Coachingklienten einzustellen. Videokonferenzen sind für uns Coaches das, was Bühnenauftritte für Schauspieler sind. Innerlich angespannt und nervös brauchen sie Wege, um sich zu fokussieren, anzukommen und Kraft aufzubauen. Dadurch treten sie in Kontakt mit ihrem Publikum. Dieses Ritual des inneren Sammelns ist für virtuelles Coaching ebenfalls wichtig. Denn je präsenter ich als Coach bin, desto stärker kann ich auch über die Kamera Kontakt aufbauen. 

Wie ist mein eigener virtueller Coachingraum gestaltet? Wie im physischen Coaching spielt auch im virtuellen Coaching die Gestaltung des Raums eine große Rolle für den Kontakt. Für mein eigenes Gefühl macht es zum Beispiel einen großen Unterschied aus, wenn ich an einem Tisch sitze, mit einem großen TV Monitor arbeite, den Ton über einen externen Lautsprecher mit integriertem Mikrofon laufen lasse. Ich fühle mich freier und den Menschen näher, als wenn ich einen Kopf-hörer trage und in mein Notebook starre. Es gibt erste Forschungsergebnisse, die zeigen, dass es auch für die Coachingklienten wichtig ist, ihren Coach in einem größeren Bildauschnitt zu sehen. (vgl. Claudia Deniers) 

Eine fokussierende Gesprächsführung ist in virtuellen Coachings besonders wichtig, da i.d.R. die Aufmerksamkeitsspanne online geringer ist. Für Coaches heißt das, ausreichend Zeit nehmen, damit die Coachingklienten sich klären können und Fokus für das Coaching entsteht. Verlangsamung des Gesprächs durch verstärktes Paraphrasieren und vertiefende Fragen. Pausen erscheinen in virtuellen Meetings erschreckend lange, doch gerade hier sind sie hilfreich. Auch für die Art der Gesprächsführung ist es wichtig, unsere Coachingklienten zu sensibilisieren. Wir lernen gemeinsam, wie Kommunikation online funktioniert und müssen deshalb immer wieder auf die Metaebene, um eben genau das zu reflektieren und zu besprechen. Gerade bei der Gesprächsführung können wir die jahrelange Erfahrung aus der Telefonseelsorge nutzen, die auch einfühlsame Beratungsgespräche führen und noch nicht einmal ein Videobild haben.  

Empathie Digital

Nein, wir spüren uns nicht virtuell. Und doch können wir Empathie aufbauen. Wenn wir Empathie verstehen als Ich fühle was Du fühlst, dann funktioniert das in einer Videokonferenz nur sehr schwer. Begreifen wir Empathie aber als Ich verstehe, was Du fühlst, dann geht das online sehr wohl. Wir können gezielt auf der Beziehungsebene und an Emotionen arbeiten. 

Talk to a stranger nennt die Wissenschaft das Phänomen, dass sich viele Menschen online häufig schneller und stärker öffnen als in physischen Meetings. Der Begriff entstand in Anlehnung an ein Meeting im Zug, wenn man Fremden plötzlich sehr Persönliches erzählt. In virtuellen Coachings können wir uns dieses Phänomen zunutze machen. Wenn Coaches als Voraussetzung Kontakt etablieren und psychologische Sicherheit schaffen, dann dürfen sie gerne mutig sein und schneller Beobachtung ansprechen, direkt nach Emotionen oder biographischen Mustern fragen. In der Diskussion auf der Consulting Impact Werkstatt wurde in diesem Zusammenhang ein Aspekt besonders betont: Wir können mutig sein, sollten das aber im Coaching immer transparent machen, die Vorgehensweise und Interventionen mit unseren Coachingklien-ten reflektieren und die Entscheidung über den Prozess immer beim Coachingklienten belassen. 

Emotionen gezielt bearbeiten. Auch in virtuellen Settings gibt es eine große Bandbreite an Methoden. Zunächst einmal können Coaches ihre eigene Emotionen ansprechen. Erläutern, was ein bestimmtes Verhalten beispielsweise auslöst und somit eine andere Gesprächsebene eröffnen. Wir können in virtuellen Meetings spiegeln, unsere Wahrnehmung rückmelden.  Visualisierung ist für die Arbeit an den emotionalen bzw. persönlichen Themen wichtig. Hier kann analog-digital gearbeitet werden (Ein Bild zeichnen und es in die Kamera halten), Whiteboards eingesetzt werden, mit Aufstellungsfiguren und einer zweiten Kamera arbeiten (hier hat Lothar Wüst auf der Werkstatt eine beeindruckende Vorstellung gegeben.) oder mit Metaphern und Analogien, was online oft besser funktioniert als in Präsenzterminen.